So wurde das Reinigungsgranulat entwickelt


23.04.2020

«Es ist Zeit, neue Wege zu gehen»

Wetrok ist es als weltweit erster Herstellerin gelungen, Reinigungsmittel aus Granulat zu entwickeln. Anlässlich dieses Interviews geben Chemie-Chefin Irene von Büren und Chemie-Entwicklungsleiter Remo Wild exklusive Einblicke in die Granulat-Entwicklung. Ein Gespräch über Anregungen aus dem Tunnelbau, Mathematikschwächen und darüber, was ein Patent mit einem Glas Whiskey zu tun hat.

Frau von Büren, jahrzehntelang hat man mit Flüssigreinigern gearbeitet – warum soll man jetzt plötzlich auf Granulat umstellen?
Irene von Büren: Weil die moderne Reinigung keine isolierte Tätigkeit, sondern ein ganzheitlicher Prozess ist. Früher gab es nur einen Anspruch an ein Reinigungsmittel: Es muss sauber reinigen. Heute sind die Anforderungen viel komplexer: Kundinnen und Kunden interessieren sich dafür, wie einfach man das Produkt anwendet, wie sicher es für das Personal ist, wie es transportiert wird, und welchen Einfluss es auf die Umwelt hat. Sie möchten Verantwortung für ihre Mitarbeitenden und die Umwelt übernehmen – und dabei unterstützen wir sie! Mit dem Granulat haben wir nämlich eine Lösung gefunden, all die genannten Anforderungen besser als mit jedem Flüssigreinigungsmittel zu erfüllen. Es ist Zeit, neue Wege zu gehen!

Reinigung mit Granulat – darunter kann sich nicht jeder etwas vorstellen. Wie funktioniert das?
Irene von Büren: Es ist ganz einfach, versprochen! Das Granulat ist in einzelne Beutelchen abgepackt – je nach Sorte sind diese zwischen 5 und 25 Gramm leicht. Die Reinigungskräfte öffnen den Granulat-Beutel, mischen das Granulat mit Wasser und schon ist die Reinigungsflotte startklar. Ein Beutel enthält exakt die richtige Menge für eine Anwendung. Beim WC-Reiniger braucht es also einen Beutel pro WC-Schüssel.

Herr Wild, Sie waren bei der Entwicklung der Granulat-Linie seit Tag eins massgeblich beteiligt. Wie ist Wetrok auf die Idee gekommen, ein Granulat für die Reinigung zu entwickeln?
Remo Wild: Am Anfang einer Produktentwicklung steht immer ein Kundenproblem. Hier haben wir uns das wohl grösste Problem in der Branche vorgenommen: die Überdosierung. Unser Ziel war es, ein Produkt zu entwickeln, bei dem Reinigungskräften die Dosierung komplett abgenommen wird. Das heisst: keine manuelle Dosierhandlung, kein Dosiersystem. Vergleichbar ist dies mit den Convenience-Bestrebungen in den Lebensmittelläden: Anstatt Fleisch, Gemüse und Nudeln in den Einkaufskorb zu legen und diese anschliessend in der entsprechenden Menge zu kombinieren und zu kochen, können sich Kunden auch einfach ein Fertiggericht kaufen. Fertiggerichte sind aufwärmbar, man braucht keine Kochkenntnisse und hat mehr Zeit für andere Dinge. Dieselben Vorteile bieten die vordosierten Granulat-Beutel.

Irene von Büren: Die Ursache der Überdosierung liegt übrigens nicht nur im verbreiteten Irrglauben «je mehr Mittel, desto sauberer», sondern oft auch in bescheidenen Mathematikkenntnissen. Wir erleben bei unseren Reinigungsschulungen immer wieder, dass Reinigungskräften das Rechnen beim Dosieren grosse Mühe bereitet. Ein Beispiel: Lautet die Aufgabe, ein Reinigungsmittel 5%-ig auf einen Liter zu dosieren, sind sich einige Reinigungskräfte bereits unsicher, ob das Reinigungsmittel nun 5% des Liters ausmachen soll oder ob sie die 5% zum Liter dazu addieren sollen. Mit Granuline fallen solche Vorarbeiten bzw. Stolperfallen nun komplett weg.

Weshalb hat sich Wetrok für Granulat entschieden und nicht etwa für Pulver oder eine Tablette?
Remo Wild: Auf den ersten Blick ist Pulver oder eine Tablette in einer auflösbaren Folie naheliegend – kennt man dies doch bereits bestens aus der maschinellen Geschirrreinigung oder der Textilwäsche. Dort unterstützen jedoch heisses Wasser, eine gewisse Einwirkzeit sowie ein automatisches Waschprogramm die Auflösung. Diese unterstützenden Faktoren haben wir in der Gebäudereinigung nicht: Die Reinigungsessenz muss ohne Einwirkzeit, ohne Rührbewegung und mit kaltem Wasser sofort einsatzbereit sein. Diesbezüglich zeigten unsere Versuche mit Pulver oder einer pulvergepressten Tablette entweder eine ungenügende Auflösung oder eine zu lange Auflösungszeit.

Irene von Büren: Dabei haben wir eine wichtige Lektion gelernt: Was sich nicht vollständig auflöst, reinigt nicht optimal.

Wie ging der Entwicklungsprozess weiter bzw. wie sind Sie auf die Lösung mit dem Granulat gekommen?
Remo Wild: Mein Team und ich haben lange nach einer Lösung recherchiert und sind dabei auf eine Analogie in einer anderen Branche gestossen. Im Tunnelbau werden in den Wänden Polymere verbaut. Diese legen sich um die Steine und lösen gewisse, an dieser Stelle nicht gewollte Partikel heraus. Diese halten sie anschliessend in der Schwebe. Da dachte ich mir, wenn das mit dem Herauslösen unliebsamer Partikel im Tunnelbau funktioniert, warum nicht auch mit dem zu entfernenden Schmutz? Das Verfahren nennt sich übrigens elektrosterische Stabilisierung und ist eine Kombination der sterischen und elektrostatischen Stabilisierung.

Bei der elektrosterischen Stabilisierung geht’s um den ionischen «Charakter» der Verbindungsketten: Ein Ende führt zum Korn, ein Ende zum Wasser. Somit ragen nur Verbindungsenden mit derselben ionischen Ladung (in der Abbildung positiv) ins Wasser – diese stossen sich gegenseitig ab. Durch diese Abstossung wird der Schmutz eine Zeit lang in der Schwebe gehalten und sinkt nicht zurück auf den Boden. Dies kommt dem Reinigungsprozess zugute. Das Zusammenspiel von Ladung und Kettenlänge ergeben Rohstoffe, die Antiredepositionsmittel genannt werden.

Ist dieses Verfahren der Grund dafür, dass die Granulat-Reiniger patentiert sind?
Remo Wild: Jein. Das Verfahren war bereits existent – wir sind jedoch die ersten Hersteller, die das Verfahren der elektrosterischen Stabilisierung für die Gebäudereinigung einsetzen. Zudem haben wir unserem Granulat einen speziellen Rohstoff beigefügt, der die Reinigungsleistung noch verstärkt, weil dank diesem nicht nur emulgierbare, sondern auch kleinste Schmutzpartikel (z.B. Feinstaub) an schwer erreichbaren Stellen gelöst werden können. Dazu ein Beispiel: Verschüttet man ein Glas Whiskey, verteilt sich das Wasser nicht auf dem ganzen Tisch, sondern es bildet sich an einer Stelle eine kompakte Form (das Wasser zieht sich zusammen). Bei der Reinigung hingegen ist es wichtig, dass genau dies nicht passiert – wir wollen ja mit der Reinigungslösung in die hintersten Ecken gelangen. Deshalb erniedrigt unser spezieller Rohstoff die Oberflächenspannung extrem und ermöglicht der Reinigungsflotte auch in kleinste Ritzen und Fissuren vorzudringen. Und dies nicht nur besser als mit konventionellen Flüssigreinigungsmitteln, sondern auch extrem schnell – innerhalb einer Sekunde. Dieser mit tensiometrischer Analytik gemessene Zeit-zu-Wert ist bis heute einmalig – und genau dieser Technologiesprung wurde durch die Patentvergabe honoriert.

Wie muss man sich die Entwicklung eines solchen Produkts im Labor vorstellen bzw. was gilt es dabei zu beachten?
Remo Wild: Die Entwicklung einer solchen Innovation braucht vor allem eines: Zeit. Der Startschuss ist 2012 gefallen – da war jedoch erst mal nur die Idee vorhanden. Diese muss man zuerst einmal komplett durchdenken, bevor es an die Bestellung erster Test-Rohstoffe geht. Sind die Rohstoffe dann im Haus, wird daran getüftelt, welche Rohstoffe in welcher Konzentration dabei zum besten Resultat führen. Es ist vergleichbar mit der Entwicklung einer Gewürzmischung in der Küche oder einem Parfüm. Teilweise haben wir an einem Tag über 50 verschiedene Proben hergestellt. All diese haben wir akribisch analysiert. Während bei einer Probe die Auflösungszeit, Reinigungsleistung oder flächige Verteilung nicht optimal war, war es bei einer anderen der Farbstoff oder das Vorhandensein unerwünschter Reaktionen, die die Stabilität des Granulats ungünstig beeinflussten. Um ehrlich zu sein, haben wir das Projekt dreimal beinahe abgebrochen, weil wir mit den Resultaten nicht zufrieden waren. Auch auf einige Rohstoffe mussten wir teilweise sehr lange warten, was den Entwicklungsprozess zusätzlich verzögert hat. Aber, wie so oft im Leben, zahlt sich auch in der chemisch-technischen Entwicklung Hartnäckigkeit langfristig aus (lacht). Aufgeben gibt’s nicht!

Irene von Büren: Wir haben von Beginn weg sehr eng mit unserem Lohnhersteller, der das Granulat nun in Massen herstellt, zusammengearbeitet. Die Unternehmung musste sich sogar spezielle Geräte extra für die Trocknung und Abfüllung des Granulats bauen lassen – die gab es so nicht auf dem Markt. Ende 2016 war es dann soweit: Wir hatten die perfekte Rezeptur für das Granulat gefunden. Bevor die ersten drei Granulate jedoch 2017 auf den Markt kamen, wurden diese von Testkunden auf Herz und Nieren geprüft.

Wie reagierten die Testkunden auf das Granulat?
Irene von Büren: Einige waren anfangs etwas skeptisch – schliesslich stellte das Granulat eine komplett neue Form der Reinigung dar. Nach einem mehrwöchigen Test war jedoch unisono Begeisterung zu spüren. Die Kunden waren erleichtert, endlich ein wirksames Mittel im Kampf gegen die Überdosierung in den Händen zu halten. Ich hörte oft, dass das Granulat selbsterklärend sei und selbst ungelernte Reinigungskräfte oder Aushilfen sofort damit zurechtgekommen seien. Insbesondere für Reinigungskräfte mit schwachen Deutschkenntnissen sei das leicht verständliche «1 Beutel, 1 Anwendung»-Prinzip eine grosse Erleichterung. Ein Kunde erzählte mir, dass seine Mitarbeitenden bisher die Reinigungsmittel schätzungsweise 25 Prozent überdosiert hätten. Er war mehr als glücklich, diese unnötigen Kosten künftig durch das Granulat komplett einzusparen.

Für Mitarbeitende ist eine Umstellung der Reinigungsprozesse immer mit Aufwand und Skepsis verbunden – was haben sie von einer Umstellung auf die Granulat-Reinigung?
Irene von Büren: Ja, für Mitarbeitende bedeutet dies zunächst eine Umstellung – jedoch eine, die ihrer Gesundheit sehr zuträglich ist. Sie brauchen nun keine 10-Liter-Kanister mehr in die Lagerregale zu hieven oder mühsam im Objekt herumzuschleppen, sondern nur noch leichte Granulat-Beutel. Auch besteht durch die perforierten, einfach zu öffnenden Beutel keine Gefahr für einen Hautkontakt mit dem Granulat – selbst wenn man die Handschuhe unerlaubterweise doch einmal vergessen würde.  Auch Lösungsmittel, die viele flüssige Reinigungsmittel enthalten, gibt es beim Granulat nicht – es können also keine gesundheitsgefährdenden Dämpfe in die Atemwege gelangen.

Remo Wild: Ein weiterer matchentscheidender Punkt: Dadurch, dass wir kein Wasser im Produkt haben, können wir zu 100% auf eine Konservierung verzichten. Dies ist ein wegweisender Beitrag an den Umwelt- und Gewässerschutz – ich möchte nicht wissen, wie viele Tonnen Flüssigreinigungsmittel weltweit nach der Anwendung mit intaktem Biozid-Anteil weggeschüttet werden.

Für welche Kunden oder Objekte eignet sich das Granulat besonders?
Irene von Büren:  Für alle, die erkannt haben, dass die moderne Reinigung weit über das Reinigungsmittel hinausgeht. Vor allem Gebäudereiniger schätzen das viel kleinere Transportvolumen, die bessere Kontrolle über den Verbrauch sowie die zielgenaue Zuteilungsmöglichkeit pro Objekt. In der Schweiz haben bereits mehrere namhafte Gebäudereiniger ihre Unterhaltsreinigung auf Granulat umgestellt. Das Granulat eignet sich insbesondere auch für kleine Objekte, da man die Granulat-Beutel dort gar mit dem Personenwagen anliefern kann, keine schweren Kanister mehr innerhalb des Objekts verteilen muss und Reinigungskräfte das Granulat für die operative Reinigung – anstatt im Reinigungswagen – direkt in der Tasche der Arbeitskleidung transportieren können.

Remo Wild: Zudem eignet es sich aufgrund der einfachen Anwendung für Betriebe mit einer hohen Fluktuation an Mitarbeitern im Reinigungsteam – wo kein Dosierwissen weitergegeben werden muss, geht auch keines verloren.

Sie haben Einsparungen beim Transportvolumen angesprochen – lassen sich diese beziffern?
Irene von Büren: Das Hauptproblem beim Transport ist, dass viel zu viel – völlig unnötiges – Wasser transportiert wird, nämlich das Wasser in Flüssigreinigungsmitteln. Durch das Granulat eliminieren wir das und es wird nur noch der Kernwirkstoff für die Reinigung, das Granulat, transportiert. Man muss sich das mal vorstellen: Anstelle von sechs Lastwagen mit Flüssigchemie benötigt man nur noch einen einzigen Lastwagen mit Granulat. Es müssen auch keine Leergebinde zurückgebracht werden. Was für eine enorme Auswirkung auf die Kosten und den Co2-Ausstoss! Gemäss unseren Berechnungen reduziert dies die Transportkosten um rund 75 Prozent – in einigen Objekten sogar noch stärker, wie uns ein Schweizer Gebäudereiniger berichtete.

Sie betonen die Umweltfreundlichkeit des Granulats. Warum ist dann der Beutel nicht selbstauflösend – wäre das nicht besser für die Umwelt?
Irene von Büren: Losgelöst von allen anderen Ansprüchen betrachtet, ja. Wir haben auch verschiedene Formen von selbstauflösenden Verpackungen getestet. Das Problem dabei: Die Auflösung der Verpackung braucht Zeit. Zeit, die Reinigungskräfte im Alltag nicht haben. Ein weiterer Punkt ist die Wärme. Geschirrspültabs lösen sich schnell und einfach auf, weil sie in heissem Wasser verwendet werden. In der Reinigung arbeiten wir hingegen mit kaltem Wasser. Zudem haben wir festgestellt, dass bei einigen Materialien kleine Fetzen übrigblieben, die im Wasser aufquollen. Diese verstopften nicht nur den Filter der Scheuersaugmaschine, sondern beeinträchtigten auch die Reinigungswirkung. Schlussendlich steht die Reinigungsleistung über allem: Wenn ein Produkt nicht sauber reinigt, kann es noch so ökologisch sein – die Kundinnen und Kunden kaufen es nicht.

Remo Wild: Zudem würden die sich auflösenden Verpackungen auch die Sicherheit bei der Anwendung und im Lager schmälern. Der grosse Vorteil des Granulats ist ja gerade, dass man keine Sicherheitsinstallationen im Lager benötigt und die Beutel – speziell in kleinen Objekten – in der Hosen- oder Jackentasche transportieren kann. Selbstauflösende Beutel könnten sich bei feucht-warmen Temperaturen im Lager – oder in der Hosentasche der Reinigungskraft – auflösen, was zu einem gefährlichen Kontakt bzw. einer Verflüssigung der Chemie führen könnte. Solche Gefahren wollten wir auf jeden Fall vermeiden. Hinzu kommt die Mikroplastik-Thematik: Wasserlösliche Beutel bestehen hauptsächlich aus Polyvinylalkohol. Dieses Polymer löst sich in Kontakt mit Wasser in feinste Partikel aus Mikroplastik auf. Heute ein grosses Thema – Mikroplastik ist immer mehr verpönt, da es sich sehr schlecht abbaut und somit die Umwelt unnötig belastet.

Anfang April 2020 haben sie die Granulat-Linie um zwei neue Reiniger ergänzt – weshalb und um welche Produkte handelt es sich?
Irene von Büren: Unsere Kunden, die bereits mit dem Granulat reinigten, haben sich ein Vollsortiment für die Reinigung des gesamten Objekts gewünscht. Bisher fehlte ein WC-Reiniger und ein Sanitärgrundreiniger. Mit den Produkten Granusan forte und Granubowl haben wir diese Lücke nun geschlossen.

Nun zur letzten Frage: Lässt sich der Nutzen des Granulats in einem Satz zusammenfassen?
Remo Wild: Kennen Sie diese Multifunktionstaschenmesser, die Feile, Schere, Korkenzieher und viele weitere Problemlösungswerkzeuge in einem einzigen Taschenmesser vereinen? Damit ist die Granulat-Reinigung vergleichbar – sie löst nicht nur ein zentrales Reinigungsproblem, sondern noch viele kleine Herausforderungen dazu. Das ergibt ein in sich stimmiges und in allen Punkten harmonisches Anwendungspaket, das bereits viele Kundinnen und Kunden schätzen.


Mehr Informationen zu den revolutionären Wetrok Granulatreinigern:
www.granuline.com